Ein Virus geht um die Welt und bringt Krankheit, Leid und Tod, überall. In den USA sind über 100.000 Menschen an COVID-19 gestorben, in Italien über 33.000, in Spanien und Frankreich jeweils um die 28.000. Bei uns in Deutschland wird die Zahl der Toten in nicht allzu ferner Zeit auch fünfstellig sein. In Südamerika wird die Lage immer bedrohlicher. Fachleute sagen, dass das erst der Anfang der Pandemie sei. Und das Virus ist noch gefährlicher, als ursprünglich gedacht. Es greift nicht nur die Lunge, sondern auch andere Organe an. Das sind keine guten Aussichten. Das Leben ist nicht mehr unbeschwert und leicht. Wer weiß, was einen selbst oder Menschen, die einem nahestehen, noch ereilt. Wir leben in Zeiten, die sich apokalyptisch anfühlen. Also: „Apokalypse Now“?
Aber was ist das eigentlich – Apokalyptik? Die Apokalyptik ist eine weltanschaulich-theologische Strömung gewesen, die im Frühjudentum im zweiten vorchristlichen Jahrhundert aufgekommen ist. Später hat sie auch das frühe Christentum geprägt. Vor allem konservative Jüdinnen und Juden haben in dieser Zeit im Heiligen Land unter dem syrischen Herrscher Antiochus IV. Epiphanes viel Elend erlebt. Unterdrückung ohne Ende. Und es sollte immer noch schlimmer werden. Eigentlich hatten sie doch gelernt: Gott würde denen, die nach den Weisungen der Tora leben, Segen zukommen lassen. Aber sie erlebten genau das Gegenteil: Diejenigen, die besonders toratreu waren, litten am meisten unter der Politik dieses seleukidischen Königs. So setzte sich bei ihnen zunehmend der Glaube durch, dass ihre Lage in der gegenwärtigen Zeit immer katastrophaler werden würde. Gott würde aber schon bald dem allem ein Ende setzen und eine neue Zeit schaffen, mit einem neuen Himmel und einer neuen Erde. Diese Gedanken wurden in einer Fülle von apokalyptischen Schriften niedergelegt. Dort ist viel zu lesen über die weltweiten Schrecken, die vor dem Ende kommen werden, über Elend und Tod, aber auch über den Neuanfang, den Gott macht.
Leben wir jetzt in solchen apokalyptischen Zeiten, also gewissermaßen in einer Endzeit? Ich denke: Nein. In der Tat bringt die Pandemie weltweit großes Elend über die Menschheit. Und was uns noch erwartet, wissen wir nicht. Aber man muss sich klar machen: Pandemien hat es – solange es Leben auf der Erde gibt – immer wieder gegeben. Auch die Geschichte der Menschheit ist voll davon: Pest, Cholera, Typhus, Pocken, Spanische Grippe, Ebola, um nur einige wenige zu nennen. Auch diese Erkrankungen haben Leid und Tod über die Menschen gebracht. Aber diese Epidemien, die gewissermaßen Bestandteil der Natur sind, sind irgendwann auch vorüber gegangen. Krankheitserreger gehören zu dieser Welt, sie sind Teil der Evolution. Bloß hat der moderne Mensch das manchmal verdrängt, ja schlichtweg vergessen. Er ist oftmals der Auffassung, die moderne Medizin habe schon alles im Griff. Man brauche also nicht besorgt zu sein. Alles sei machbar. Vielleicht bräuchte es hier, um einen alten, aus der Mode gekommen Begriff zu verwenden, etwas mehr Demut. Die Möglichkeiten diesen und auch zukünftigen Erregern gegenüber sind begrenzt.
Auch diese Pandemie wird vorübergehen. Danach wird vieles wieder möglich sein. Das Leben wird weitergehen. Und wir alle werden uns darüber freuen können. Und jeden neuen Tag, der kommt, schätzen.
Lieber Herr Knapp, vielen Dank f. Ihre Gedanken zur Apokalyptik! Ich gebe Ihnen recht, die Apokalyptik als Ausdruck von Panik und Angst ist ein schlechter Ratgeber. Und auch wenn man nicht mehr fortschrittsgläubig ist wie manche Generationen vor uns glaube ich auch, dass die Medizin die Pandemie in den Griff bekommt.
Aber: das apokalyptische Denken hat in anderen Hinsichten seine Wahrheit. Wir sind die erste Generation, die das Leben auf unserem Globus auslöschen kann. Ich denke an die ungeheuren Waffenarsenale weltweit und an die sehr volatile Ausstattung von Politikern. Wer sagt uns, dass die Zerstörungmittel nicht eingesetzt werden? Geschichtliche Erfahrung macht uns da nicht zuversichtlich.
Und von ökologischen Szenarien habe ich noch gar nicht gesprochen.
Was man mit solchen Annahmen politisch macht und wie das ganze theologisch zu verarbeiten ist, das wäre jetzt ein weites Feld. Soweit in aller Kürze.
Herzlich Bruno Schmidt-Späing