Gedanken in der „Corona-Krise“ von Sören Asmus, Theologe aus Duisburg und regelmäßiger Referent in der Stadtakademie
Was derzeit viele Menschen zu beschäftigen scheint, ist die Herausforderung mit dem Bewusstsein einer Krankheit zu leben, die nicht weggeht. Sie sind zwar selber nicht akut krank, aber sie müssen ihr Leben auf eine Krankheit einstellen, die jeden Bereich des Alltags verändert, die man nicht mit sieben Tagen im Bett und Medikamenten los wird und deren Verschwinden nicht absehbar ist. Nach vielen Wochen der angespannten Verstörung (und großartiger Solidarität!), hat sich nun eine gewisse Gewöhnung eingestellt, ein „new normal“. Aber die Befremdung und das Unwohlsein bleiben. Menschen mit einer chronischen Krankheit kennen das nur zu gut. Auch ihr Leben musste sich gefühlt sehr unvorbereitet und plötzlich völlig ändern, in allen Bereichen des Alltags, wegen einer Krankheit – einer Krankheit aber, die sie selber haben, die für sie immer akut ist. Ich selber scheitere seit gut 30 Jahren daran, mit meinen chronischen Krankheiten zurechtzukommen. Ich werde nie mehr gesund sein. Mein Leben ist nicht „normal“ und wird es nie wieder sein. Es ist seit 30 Jahren „new normal“ – und was das heißt, verändert sich auch von Woche zu Woche. Und ich habe in dieser Zeit auch viele andere Menschen kennen gelernt, die damit zurechtkommen müssen. (Um die 40% aller Bundesbürger gaben in einer Befragung an, chronisch krank zu sein.)
Mir fällt diese Parallele deshalb so auf, weil ich in meiner Umgebung und in den Medien ähnliche Reaktionen erlebe, wie ich sie von mir und anderen chronisch Kranken kenne: Den einen hilft es, möglichst viel über die Krankheit zu wissen, um dann möglichst selbstständig und verantwortlich damit umzugehen. Sie informieren sich bei Experten und bei der Wissenschaft, sie vergleichen Studienergebnisse und stellen ihr Leben darauf ein. Andere entscheiden sich dafür, dass ihre Ärzte und die Experten schon wissen, was zu tun ist und befolgen schlicht deren Verordnungen. Dabei haben sie die Gewissheit, dass gut für sie gesorgt wird – so gut es eben geht. Wieder andere reagieren auf die Tatsache, dass die Krankheit bleibt und Wissenschaft und Medizin zwar damit umgehen können, aber eben nicht heilen, indem sie sich alternativen Heilswegen zuwenden. Auch hier gibt es selbstinformierte Experten und solche, die sich auf andere verlassen. All diese Umgangsweisen haben ihr Recht, denn sie nehmen die Realität der Krankheit an und gehen damit um. Welchen Weg man auch immer wählt, die Krankheit ist da und darauf muss man im Leben reagieren. Wohl dem, der dabei nicht an den Punkt kommt, mit dem eigenen Da-Sein und So-Sein zu hadern. Mir gelingt das nur selten. Und so kommt es bei mir dazu, dass ich einfach die Krankheit habe und „mit ihr lebe“, also nicht damit umgehe, sondern einfach nur krank bin.
Alle müssen hinnehmen, dass ihr Leben „mit der Krankheit“ nicht mehr dem entsprechen kann, was gesellschaftlich als wünschenswert und erstrebenswert angesehen wird. Wenn schon das Anziehen der Kleider dreimal so lange dauert wie „normal“, dann bleibt manches auf der Strecke, was stattdessen man wohl lieber getan hätte. Und so erleben chronisch Kranke schon immer, was derzeit die Mehrheit in der Gesellschaft erlebt: Das normale Leben ist die Ausnahme. Leben ist immer gefährdet, immer bedroht, immer unsicher. Ob morgen noch gilt, was heute geht – keiner weiß es. Ich kann keinen Termin in drei Monaten annehmen, ohne dabei zu denken: „Falls ich dann nicht wieder im Krankenhaus bin …“ Im Grunde gilt das für jeden und jede, dass es so sein könnte. Aber ich weiß aus Erfahrung, dass es für mich immer wieder so sein wird. Leben mit einer andauernden Krankheit bedeutet eben Leben im Bewusstsein der eigenen Grenzen und Beschädigungen. Und Alltag in der „Corona-Krise“ bedeutet, dass auf einmal auch alle darüber reden – wieder darüber reden –, dass das Leben gefährdet, bedroht und unsicher ist. Nicht nur im Rest der Welt, nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch hier bei uns. Und während die mediale Öffentlichkeit damit ringt, denke ich: „Ja, so ist das Leben halt. Hattet ihr das vergessen?“
Lieber Sören, du hast die Nöte erschreckend klar formuliert, und es tut mir weh, mir vorzustellen, wie sehr du in deinem Tun ausgebremst wirst. Und ich weiß noch sehr gut, wie aktiv und voller kreativer Ideen du gewesen bist. Wahrscheinlich bist du immer noch voller toller Ideen, kannst aber nur so wenig davon umsetzen.
Du gehörst zu den Menschen, die ich immer wieder vor Augen habe, auch wenn wir uns so selten sehen. Schon als Jugendlicher warst du etwas Besonderes und nicht nur dann, wenn du den Jesusfilm vorgespielt hast. Mit dir konnte man über so viel sprechen und hat dabei dein Alter vergessen. Auch zuhören konntest du gut, von deiner Empathie, deinem Sprachgefühl will ich gar nicht erst reden. Auch bei Lea, meiner Tochter mit Ian, die seit sie 5 ist, eine Zwangs- und Angststörung hat, denke ich manchmal, was wäre, wenn sie gesund wäre. Werdet ihr gebremst, weil ihr zu schnell begreifen könnt?
Lieber Sören, du bist etwas Besonderes. Ich wünschte mir sehr, dass dein Leben leichter wäre.
Alles Liebe
Deine Anette
Lieber Sören,danke für Deine Gedanken.Was ist schon mein bisschen Arthrose gegen Deine 30 Jahre Leben mit Krankheit.Ich hoffe,dass Du weiterhin stark sein kannst.Wir denken an Dich,bleib behütet
Deine Dorle und Frohmut