Dichtgedrängt stehen die Menschen auf den Straßen in der Düsseldorfer Altstadt. Die Stimmung ist bestens. Man scherzt und redet. Man trinkt und isst. Man lässt es sich gutgehen. Man will wieder raus nach dem bundesweiten Shutdown, wieder unter Leute, wieder feiern. Man will die Einschränkungen hinter sich lassen, wieder frei sein. Am nahegelegenen Rheinufer ist die Situation entsprechend. Auch dort viele Menschen in guter und gelöster Stimmung nah beieinander. Den Abend genießen. Für sich an diesem Tag einfach das Beste herausholen. Hat man nicht ein Recht darauf? Die Maxime scheint zu sein: „Für mich das Beste – noch heute“. Das Leben ist schließlich kurz. Also feiern wir – ausgelassen und fröhlich.
Kaum jemand scheint sich daran zu erinnern, dass wir uns mitten in einer gefährlichen Pandemie befinden. Kaum einer hält die notwendigen Mindestabstände ein. Keiner trägt eine Maske. Keiner bedenkt, dass dieses Verhalten brandgefährlich ist. Dass auf diese Weise ein neuer Corona-Hotspot entstehen kann, so wie im österreichischen Ischgl. Die so sorglos feiernden Menschen gefährden erst einmal sich selbst. Dann aber auch ihre Angehörigen, ihre Freunde, ihre Nachbarn, ihre Arbeitskolleginnen und –kollegen. Wenn durch sie das Virus weitergetragen wird, gefährden sie auf indirektem Wege aber noch sehr viel mehr Menschen. Die Infektionszahlen werden durch ein derartiges Verhalten wieder in die Höhe gehen. Möglicherweise kommt es erneut zu einem exponentiellen Anstieg der Zahl der Infizierten. Schlimmstenfalls führt das zu einem neuen Shutdown – mit allen bekannten Folgen, für die Menschen, für die ganze Wirtschaft, für unser aller Wohlergehen.
Jetzt nach der Maxime zu leben „für mich das Beste – noch heute“, ist überaus problematisch. Sich alle Freiheiten herauszunehmen und sich zu verhalten wie vor der Pandemie, ist in diesen Zeiten nicht zu verantworten. Ist es denn nicht möglich, sich selbst und seine momentanen Bedürfnisse zurückzustellen, um andere nicht zu gefährden? Um die Pandemie einzudämmen? Um auf diese Weise eine gute Zukunft für alle zu ermöglichen? Von Jesus von Nazareth ist der Satz überliefert: „Wie ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, so tut ihnen auch!“ (Lk 6,31/Mt 7,12) Man nennt ihn die Goldene Regel. Er findet sich im damaligen Judentum auch an anderer Stelle.
Ich denke, dass dies die Maxime der Stunde ist. Wir selbst wollen nicht, dass jemand anders uns mit dem Coronavirus ansteckt und wir schwer erkranken. Vielmehr erwarten wir von den Menschen, die uns umgeben, mit denen wir zu tun haben, denen wir begegnen, dass sie hier Vorsicht walten lassen. Dass sie Verantwortung übernehmen. Dass sie unser Wohlergehen und unsere Gesundheit im Blick haben. Dann sollten wir uns aber auch entsprechend verhalten und ebenso niemanden gefährden. Die Personen nicht, die uns nahestehen, und auch die nicht, die uns fernstehen. Es gilt in Zeiten der Pandemie, Verantwortung zu übernehmen, für sich selbst, für die Mitmenschen, für die Gesellschaft. Wenn wir alle das tun, werden wir die Pandemie besiegen. Und dann kann man auch wieder feiern – unbeschwert und fröhlich.
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