Großes Gemäuer, kleine Stadt – Kloster Merten und Stadt Blankenberg a. d. Sieg

Ein Gastbeitrag von Markus Juraschek-Eckstein M.A.

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Die ehemalige Augustinerinnen-Klosterkirche St. Agnes in Eitorf-Merten zählt zu den besterhaltenen romanischen Bauten des Rheinlands. Nahezu unverfälscht erscheint die um 1180 von den Grafen von Sayn gestiftete Kirche mit der imposanten Turmanlage dem Betrachter. Der unvollendete Nordturm lässt zwar die Verwandtschaft zum fast zeitgleichen, historisch bedeutenderen Vorbild, St. Kastor in Koblenz, nicht ohne weiteres erkennen. Mit den beiden Lilienfenstern und dem zentralen stehenden Vierpass darf aber der Westbau der Mertener Kirche als der stilistisch modernere gelten.

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Im Innern der dreischiffigen, querhauslosen Apsidenbasilika herrscht große Schlichtheit. Diese im 12. Jahrhundert eigentlich schon antiquierte Bauform hatte sich in Westeuropa bereits 200 Jahre zuvor ausgebildet. Der Augustinerorden und die daraus hervorgegangenen Prämonstratenser griffen diese Bauform aber nach 1100 wieder auf, um gegen die prachtvollen Kloster- und Stiftskirchen ihrer Zeit eine auch von anderen Reformorden erneuerte simplicitas des mönchischen Lebens zu setzen. St. Agnes besaß nie ein Gewölbe; keine Bauerweiterung oder Modernisierung veränderte je das Aussehen der Kirche. Innerhalb von rund 850 Jahren wurde lediglich wiederhergestellt, so um 1960 die flachen Eichenbalkendecken. Auch der nach umfangreichem Befund rekonstruierte Terrakottaboden entspricht dem ursprünglichen Aussehen des alten Gemäuers.

Einen authentischen Eindruck mittelalterlicher Siedlungsentwicklungen vermittelt die unweit gelegene Stadt Blankenberg mit Burg Blankenberg. Die beeindruckende Ruine der ebenfalls im 12. Jahrhundert durch die Grafen von Sayn gegründeten Landesburg steht strategisch günstig auf einem 152 Meter hohen Kamm oberhalb der Aueler Siegschleife. Unmittelbar an die Burg grenzen die im Dreißigjährigen Krieg allerdings wüst gefallene Altstadt und die bereits im 13. Jahrhundert entstandene Neustadt an.

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Die Menschen, die hier lebten, standen unter dem Schutz des Burgherrn – zuletzt waren dies die jülich-bergischen Herzöge – und leisteten ihm im Gegenzug Manndienste. Zum Zeichen der engen gegenseitigen gesellschaftlichen Abhängigkeiten, wie sie im Hochmittelalter in solchen Burgsiedlungen soziale Konstanten waren, kann die heute noch fast vollständig erhaltene gemeinsame Umwehrung von Burg und Stadt dienen. Die am entlegensten Punkt von der Burg in der Ortschaft gelegene Stadtkirche St. Katharina und das vollständig erhaltene mittelalterliche Straßensystem mit mittig darin gelegenem Markt spiegeln desweiteren die Makrostruktur der mittelalterlichen Ständegesellschaft: Ritterschaft und Klerus sind in den Komplementären von Burg und Kirche gegeben, der dritte Stand durch die Marktstätte. Genau in der Zeit der Gründung von Stadt Blankenberg erhielt die Bauernschaft in ganz Europa die Möglichkeit des sozialen Aufstiegs, indem sie im Wechsel vom Land zur Stadt partielle Freiheiten wie eben die vom Grundherrn verfügte Handelsfreiheit erlangen konnte.

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Der heutige Besucher der Stadt Blankenberg kann sich fakultativ an der etwas unwegsamen Begehung der Burg erfreuen, obligatorisch aber auch die reiche Caféhaus-Szene des historischen Fachwerkstädtchens genießen.

Die für den 24. Juni im Corona-Jahr geplante Exkursion wird in das
1. Halbjahr 2021 verschoben.

Markus Juraschek-Eckstein M.A. studierte Kunstgeschichte, Philosophie und Germanistik an der Universität zu Köln. Er arbeitet heute freiberuflich u. a. für die Thomas-Morus-Akademie Bensberg sowie als wissenschaftlicher Autor. Als Referent begleitet er Exkursionen der Stadtakademie unter der Leitung von Dr. Gabriela Köster.

2 Kommentare

  1. Runge-Philipps Ingrid

    Verschoben ist nicht aufgeschoben
    Ich freue mich schon jetzt auf die Exkursion im kommenden Jahr.

  2. Karin Böttcher

    Immer wieder interessant die unterschiedlichen baulichen Zuordnungen aufgrund religiöser Be- und Unbestimmtheiten. Das 1. Halbjahr 2021 ruft Interesse und Hoffnung.

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