Die Sekretariate des Ökumenischen Rates der Kirchen und des jüdischen Weltkongresses verfügen über höchst zuverlässige Berichte, die zeigen, dass die von den Nazi-Behörden organisierte Kampagne einer genau vorbedachten Ausrottung der Juden in fast allen europäischen Ländern jetzt ihren Höhepunkt erreicht. Sie bitten deshalb die alliierten Regierungen, ihre Aufmerksamkeit auf die absolute Notwendigkeit zu richten, ohne Verzögerung eine Rettungsaktion für die verfolgten jüdischen Gemeinschaften zu richten, die folgenden Leitlinien folgt:
1. Maßnahmen unmittelbarer Lebensrettung sollten Vorrang haben vor der Auseinandersetzung um Nachkriegs-Regelungen.
2. Es sollen Schritte unternommen werden, die die neutralen Staaten in die Lage versetzen, allen Juden, denen es gelingt, ihr Gebiet zu erreichen, zeitweiliges Asyl zu gewähren.
Großbritannien und die Vereinigten Staaten, möglicherweise auch noch andere alliierte Nationen, insbesondere die Dominions, sollten einen Plan entwickeln, um nach Kriegsende so bald wie möglich die weitere Auswanderung oder Repatriierung der Flüchtlinge zu ermöglichen.
Wegen des besonderen Charakters des jüdischen Problems und der politischen Neutralität der neutralen Länder während der Dauer der Feindseligkeiten würden letztere Zusicherungen über Repatriierung nicht als ausreichend ansehen, wenn sie nur von Exilregierungen gegeben würden. Nur explizite und umfassene Garantien für die Re-Emigration der Flüchtlinge gegeben durch die angelsächsischen Mächte […] können den neutralen Länder zu einem liberaleren und verständnisvolleren Verhalten gegenüber jüdischen Flüchtlingen verhelfen. Diese Garantien sollten auch die Beschaffung von Nahrungsmitteln und Geld für die Dauer des Aufenthaltes in neutralen Ländern einschließen.
3. […] Angesichts der Tatsache, daß die Zahl von Staatsangehörigen der Achsenmächte in alliierten Ländern die Zahl alliierter Staatsangehöriger in Ländern der Achse erheblich übersteigt, sollte ein Plan für den Austausch der Juden in von Deutschland beherrschten Gebieten gegen deutsche Zivilisten in Nord- und Südamerika und Palästina mit allem Nachdruck verfolgt werden.
Juden sollten in dieses Austauschprogramm kollektiv einbezogen werden, weil es unter den gegenwärtigen Bedingungen unmöglich ist, Einzelfallprüfungen [auf Asyl] vorzunehmen. Kriegssicherheitsmaßnahmen könnten im Programm eingebaut werden. […] Konkrete Vorschläge sollten den Regierungen, die die alliierten Interessen wahrnehmen, sofort, zu gegebener Zeit außerdem dem Internationalen Roten Kreuz unterbreitet werden“.
Vollständiger Text (englisch): Snoek, Johan M., The Grey Book. A Collection of Protests Against Anti-Semitism and the Persecution of Jews issued by the Non-Roman-Catholic Churches and Church Leaders During Hitler’s Rule, Assen 1969, 275-277.
Darstellungen (deutsch):
Riegner, Gerhard, Niemals Verzweifeln – Sechzig Jahre für das jüdische Volk und die Menschenrechte, Gerlingen 2001, 175.
Boyens, Armin, Kirchenkampf und Ökumene 1939-1945, Darstellung und Dokumentation unter besonderer Berücksichtigung der Quellen des Ökumenischen Rates der Kirchen ,München 1973, 126f.
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