Mit Vorsicht und Gottvertrauen in die Zukunft

Dr Dietrich Knapp
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Dr. Dietrich Knapp

Den meisten Menschen sind die Psalmen aus dem Alten Testament heute nicht mehr besonders vertraut. Aber es gibt einzelne Verse, die richtig beliebt sind und daher immer wieder zitiert werden. Zwei Verse aus Psalm 91 gehören zum Beispiel dazu: „Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest“ (V. 11-12). Nicht nur diese beiden Verse, sondern der ganze Psalm ist getragen von einem großen Gottvertrauen.

Derjenige, der den vielleicht 2500 Jahre alten Text gedichtet hat, wusste, dass der Mensch im Leben unzähligen Gefahren ausgesetzt ist. Viele von ihnen werden im Einzelnen genannt. Darunter tauchen auch zwei hebräische Begriffe auf, die am besten mit „Seuche“, „Epidemie“ oder auch „Pest“ (sicher nicht im präzisen medizinischen Sinne gemeint) zu übersetzen sind (daebaer und qaetaeb): „dass du nicht erschrecken musst … vor der Pest, die im Finstern schleicht, vor der Seuche, die am Mittag Verderben bringt“ (Ps. 91, 5-6).

Seuchen gab es auch in der Zeit des alten Israel. Insgesamt kommen die beiden Worte im Alten Testament über 50 Mal vor. Daraus kann man schließen, dass Epidemien nicht gerade selten gewesen sein werden. Die beiden Begriffe stehen oftmals neben den Worten „Schwert“ und „Hunger“. Die Katastrophe einer Seuche, die im Verborgenen (so V. 6) Verderben und Tod brachte, war also manches Mal auch noch gepaart mit Krieg und Hungersnot. Es gibt Grund anzunehmen, das diese fürchterliche Trias ebenfalls zuschlug, als die Neubabylonier unter Nebukadnezar 586 vor Christus Jerusalem eroberten und einen großen Teil der Bevölkerung ins Exil nach Babylonien deportierten. Für die Menschen damals waren Epidemien noch fürchterlicher als für uns heute, da sie keine Erklärung dafür hatten. Manche machten dann – entsprechend dem damaligen Weltbild – irgendwelche Dämonen für die Seuchen verantwortlich.

Der Verfasser des Psalms sieht den zahllosen Gefahren des Lebens ins Auge. Er bagatellisiert sie nicht. Die Epidemien nicht und die anderen Widrigkeiten auch nicht. Aber es ist ihm wichtig, dass der Mensch allen Grund zum Gottvertrauen hat: „Denn der HERR ist deine Zuversicht, der Höchste ist deine Zuflucht“ (V. 9). Der Dichter des Psalms will geradezu Mut dazu machen. Er will herausreißen aus Niedergeschlagenheit und Angst. Um es mit einem modernen Bibelwissenschaftler zu formulieren: Der „beachtlich langen Reihe an katastrophalen Unheilskräften steht eine noch beachtlichere Phalanx von Schutzmächten entgegen“ (Manfred Oeming/Joachim Vette: Das Buch der Psalmen. Ps. 90-151, NSK-AT 13,3, Stuttgart 2016, S. 29).

Foto: Ricardo-Resende-unsplashed.jpg

Ich finde, dass das Gedanken sind, die wirklich Mut machen. Auch 2500 Jahre, nachdem diese Zeilen gedichtet worden sind. In Zeiten, in denen wieder eine große Seuche das Leben der Menschen bestimmt. Mit Vorsicht und Gottvertrauen sollten wir in die Zukunft gehen. Wir müssen einerseits im Alltag sehr aufpassen, dass es zu keinen neuen Infektionen kommt, bei uns nicht und bei den Menschen nicht, die um uns sind. Andererseits zeigt der Psalmdichter, dass wir allen Grund haben, den Weg in die Zukunft mit Gottvertrauen zu gehen, „denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.“

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