Wortfindungsstörungen zu Ostern

Gastbeitrag von Sören Asmus

Wenn wir an die Ostergeschichte denken, dann ist die Verwirrung groß: Wie sollen wir uns das denken, was da in den Evangelien steht? Auferstehung ist ein etwas verwirrender Begriff. Manche Konfirmanden halten es für eine Umschreibung von Reinkarnation, andere denken an seelische Erscheinungen oder von Trauer ausgelösten Wahnvorstellungen, die meisten meiden den Versuch, sich etwas Konkretes vorzustellen. Zumeist aber gehen wir heutigen LeserInnen davon aus, dass die Texte der Bibel an dieser Stelle im übertragenen Sinne zu verstehen sind. Oder aber, dass die Verfasser der Evangelien und die ersten Christen nicht wussten, wovon sie da redeten.

Und in der Tat hatten die ersten ChristInnen wohl auch so ihre Probleme damit, was sie beschreiben wollten. Wer genau hinsieht, merkt, dass so einiges unklar oder verschwommen ausgedrückt wird, dass es Leerstellen gibt, weil das, was da erlebt und später berichtet wurde so unfassbar war. Die Evangelien beschreiben, dass Jesus starb, wirklich tot war und dann nach drei Tagen wieder mit einem fassbaren, atmenden, essenden usw. Körper vor ihnen stand, mit ihnen redete und sich zu erkennen gab. Dafür gab es ein Wort in der jüdischen Tradition: Auferstehung. Eigentlich hätten auch die ersten ChristInnen eher an Geister oder Gespenster gedacht – dazu gab es viele Geschichten. Ebenso kannten auch sie schon das Gefühl, dass ein abwesender oder verstorbener Mensch „irgendwie“ ganz nahe war. Auch wussten sie, dass man sich aus Trauer Dinge einbilden kann. Aber das, was sie zu beschreiben hatten, war etwas anderes: Auferstehung.

So schwer, wie wir uns damit tun, uns leibliche Auferstehung vorzustellen, so schwer taten sich die JüngerInnen Jesu auch. Daher die Verwirrung und daher die Diskussionen, von denen in den Evangelien berichtet wird. Ich denke, wir müssen davon ausgehen, dass die Menschen in der Antike weder dümmer, noch verführbarer waren als wir heute. Deshalb ist Ostern für uns heute genauso schwer vorzustellen, wie es das für die JüngerInnen war. Für das, was sie erlebten, hatten sie keinen anderen Begriff als den aus der jüdischen Tradition: Auferstehung. Und zudem war damit verbunden – und hier wird es dann ganz schwierig mit der Vorstellung-, dass Jesus nicht wiederbelebt war, um später dann doch zu sterben. Das war bei Lazarus der Fall. Aber Jesus war nicht wiederbelebt, sondern auferstanden, d.h. er hatte leiblich den Tod hinter sich gelassen und war leiblich zu GOtt gegangen und bei IHM.

Dieser Gedanke ist deshalb so wichtig und gleichzeitig überfordernd, weil in der Bibel gesagt wird, dass auch wir ebenso auferstehen und in der neuen Schöpfung leiblich bei Gott sein werden. Gewiss, zwischen dem eigenen Tod und der leiblichen Auferweckung gibt es eine Zwischenstation – wir nennen sie Himmel oder Paradies. Aber das ist nur eine Zwischenstation, wie eine Herberge am Wege, ehe wir leiblich mit GOtt vereint sein werden. Alle ausgemalten Vorstellungen über die Himmel (der berühmte siebte Himmel ist auch dabei), ebenso wie die Höllenbilder haben die späteren frühen ChristInnen von den Griechen und Römern übernommen. Die Bibel ist da weniger ausführlich u d zurückhaltender. Es gibt ein paar Hinweise, wie es nach dem Tod weiter geht und wie das Leben nach der Auferstehung aussehen könnte, aber es sind eher Wegweiser, keine Endzeit-Prospekte.

Ich schreibe dies mit ambivalenten Gefühlen zwischen Zweifel und Hoffnung:
Ich bin Kind meiner, unserer Zeit. Die Rede von der Auferstehung erscheint mir unfassbar, unglaublich. Auferstehung hat es meines Wissens zu unseren Zeiten nicht gegeben. (Historisches Prinzip: Nur was heute auch vorkommen kann, ist historisch plausibel: Kriege: ja, Drachen und Einhörner: nein; männliche Genies: ja, weibliche Philosophinnen: ….) Daher vermute ich, dass der Begriff in der Bibel für etwas anderes stehen muss, das ich kennen könnte. Aber so wie mir ging es wohl auch den JüngerInnen Jesu: Auch zu ihrer Zeit hatte es bis dato keine Auferstehung gegeben, nur die Verheißung davon. Für sie war es ebenso unfassbar, unglaublich. Und so hatten sie die Schwierigkeit, das richtige Wort zu finden: Denn die jüdische Tradition kannte nur die Auferstehung des ganzen Volkes Israel, nicht aber die Auferstehung eines einzelnen Menschen. Offensichtlich hatten aber die ersten ChristInnen keine andere Wahl, als dieses Wort zu nehmen, weil es dem am nächsten kam, was sie erlebt hatten.

Und so schleicht sich neben den Zweifel an der Auferstehung eine Ahnung der Hoffnung: Wenn die ersten ChristInnen andere Begriffe hatten, um die Dinge zu beschreiben, die auch ich kenne, dann scheint Auferstehung eben für etwas zu stehen, das ich nicht kenne. Und diese Ahnung der Hoffnung lässt mich an dieses Andere denken, was möglich wäre und was verheißen ist. Auch wenn ich es nicht konkret ausmalen kann, es gibt ein paar Hinweise.

Ich traue mich nur, das alles so zu beschreiben, weil ich mich von den Gedanken und Schriften des ehemaligen anglikanischen Bischofs und Neutestamentlers Tom Wright habe anregen lassen. Wie so häufig bei anglikanischen TheologInnen, schreibt er klug, verständlich und gleichzeitig überraschend „fromm“. Wenn Sie neugierig geworden sind, nutzen Sie vielleicht den Oster-Lockdown und lesen Tom Wright: Von Hoffnung überrascht. Ihr örtlicher Buchhändler bestellt es sicher gerne und bringt es vorbei.

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