Bemerkenswertes und Überraschendes u.a. zur Reise Albrecht Dürers in die Niederlande 1520/21.
Hätten Sie gedacht …
- dass Albrecht Dürers Mutter Barbara 13 Kinder hatte, von denen nur die drei Söhne (Albrecht, Endres und Hans) das Erwachsenenalter erreichten. Endres übernahm die Goldschmiedewerkstatt vom Vater. Hans, der Nachkömmling war Lehrling und Geselle beim Bruder Albrecht.
- dass Albrecht jun. eigentlich Goldschmied wie der Vater werden sollte. Während der Lehre konnte er als Dreizehnjähriger mit einem Selbstporträt den Vater davon überzeugen, dass er Maler werden muss. Der Patenonkel unterstützte ihn und verhalf ihm zur Lehre bei Meister Michael Wohlgemut.
- dass Albrecht nach den Lehr- und Wanderjahren in Süddeutschland nach Nürnberg zurückkehrte, und Agnes geb. Frey heiratete, die der Vater für ihn ausgewählt hatte. Eine Liebesheirat war es wohl nicht, denn noch im gleichen Jahr ging Albrecht Dürer für mehrere Monate nach Italien, um die italienischen Meister zu studieren und ließ Agnes in Nürnberg zurück, obwohl gerade die Pest in der Stadt wütete.
- dass die „Betenden Hände“ gar nicht als Bild gedacht waren, sondern nur eine Vorstudie für einen großen Auftrag; sie waren zusammen mit einer Kopfstudie auf einem Konzeptblatt. Das Blatt wurde zerschnitten und die Hände haben sich zu einer religiösen Massendevotionalie entwickelt.
- dass der Altar, für den sie bestimmt waren, ein Auftrag des Frankfurter Kaufmanns Jakob Heller für die dortige Dominikanerkirche waren. Um diesen Heller-Altar kam es zu einem heftigen Streit mit dem Auftraggeber. Heller war verärgert, dass es so lange dauerte; Dürer wollte mehr Geld, weil er den Aufwand falsch eingeschätzt habe. Am Ende war Heller aber doch zufrieden, zahlte den teureren Preis und machte Agnes Dürer sogar ein Geschenk. Das Altarbild hat später Herzog Maximilian I. von Bayern nach München bringen lassen, wo es 1729 verbrannte. Glücklicherweise gibt es eine gute Kopie aus dem 17. Jahrhundert.
- dass nur zwei von Dürers Bildern im Besitz seiner Heimatstadt Nürnberg sind: Die beiden Kaiserporträts von Karl d.G. und Sigismund. Alle anderen Originale hat die Stadt nach dem dreißigjährigen Krieg verkaufen müssen, weil die Stadtkasse leer war. Listiger Weise ließ man Kopien herstellen.
Zwei große Sammler, Herzog Maximilian I. und Kaiser Rudolf II. haben sich beim Ankauf der Bilder gegenseitig Konkurrenz gemacht, weshalb in München und Wien (Museum Albertina) bis heute viele Originale zu sehen sind.
- dass A.D. im Auftrag und zu Ehren von Kaiser Maximilian I. den größten Holzschnitt aller Zeiten schuf: die Ehrenpforte, eine Art zweidimensionaler Triumphbogen nach römischem Vorbild. Das Werk besteht aus 36 Einzelblättern, die auf 195 Druckstöcken erstellt wurden. Das Ganze ist 3,5 mal 3m groß. Insgesamt wurden mehrere hundert Exemplare gedruckt und an bedeutende Persönlichkeiten verschenkt und verkauft, u.a. an Kurfürst Friedrich d. Weisen. Die Druckstöcke sind bis heute in Wien erhalten.
- dass Albrecht Dürer seine Reise in die Niederlande 1520/21, zu der er am 12. Juli vor 500 Jahren aufbrach, unterbrach, um im Herbst an der Krönung Kaiser Karls V. im Dom zu Aachen teilzunehmen. Der Hintergrund war, dass er seine Leibrente, die ihm Maximilian I. ausgesetzt hatte (Sie betrug immerhin das Jahresgehalt eines Professors) auch unter seinem Nachfolger sichern wollte. Dürer traf den Kaiser jedoch nicht, schuf aber Skizzen von Dom und Rathaus von Aachen. Die Rente wurde ihm am Ende doch weiter gewährt.
- dass er auf dieser Reise im Mai 1521 die Nachricht bekam, dass Martin Luther nach dem Reichstag in Worms entführt und getötet worden sei. In seinem umfassenden Reisetagebuch findet sich folgender Nachruf:
„O Gott! ist Luther todt, wer wird uns hinfort das heilige Evangelium so klar vortragen. …helft mir, Gott bitten, dass er uns einen anderen erleuchteten Mann sende.“
Später erfuhr er, dass Luther noch am Leben war.
- dass Albrecht Dürer am Tag nach seiner Beerdigung am 6. April 1528 noch einmal exhumiert wurde, um eine Totenmaske abzunehmen und eine Locke seines Haares abzuschneiden. Ob das Wahrheit oder Legende ist, muss dahingestellt bleiben. Die Totenmaske jedenfalls existiert nicht mehr, aber die Locke wird in Wien aufbewahrt. Dürer, der als Luther-Anhänger Reliquienkult und Heiligenverehrung immer abgelehnt hat, ist so dennoch Opfer dieser Phänomene geworden.
Die Stadt Aachen plante aus Anlass dieser Reise von A.D. eine große Dürer-Ausstellung im Herbst 2020 mit 100 Meisterwerken des Künstlers. Sie wird wegen Corona nun auf den Sommer 2021 verschoben.
Zur Person des Autors:
Pfarrer i.R. Paul Schnapp, zuletzt tätig in den Kirchenkreisen Aachen und Düsseldorf, wird im kommenden Jahr zwei Veranstaltungen von Studienleiter Harald Steffes zu Dürer unterstützen.
Das neue Programm der Evangelischen Stadtakademie finden Sie unter www.estadus.info