Monolatrie: Die langfristige Alleinverehrung Jahwes, des Gottes Israels
Seit Salomos Zeiten spielte auch die Monolatrie eine wichtige Rolle, die langfristige Alleinverehrung des Gottes mit Namen Jahwe. Dabei akzeptierte man durchaus, dass andere Völker andere Gottheiten kannten und verehrten. Die Existenz dieser anderen Göttinnen und Götter wurde also nicht bestritten. In Israel sollte aber ausschließlich Jahwe, der Gott Israels, verehrt werden. In diesem Geist wurde in Jerusalem von König Salomo in unmittelbarer Nähe des Palastes der Tempel erbaut, der in den folgenden Jahrhunderten den Jerusalemer Staatskult prägen sollte. Wenn die Archäologie hier leider keine näheren Auskünfte geben kann, so sind doch die entsprechenden Texte aus dem Alten Testament (1. Kön 6-8) sehr aufschlussreich. Der Tempel war unterteilt in die Vorhalle, das Heilige und das Allerheiligste. Im abgetrennten Allerheiligsten stand der so genannte Cherubenthron, also ein Thron, der von sphinxartigen Wesen gehalten und gebildet wurde. Auf ihm thronte – so war die Vorstellung – unsichtbar Jahwe, der Gott Israels. Dieser Tempel wurde ausschließlich für ihn errichtet, er wurde von den Nachfolgern Salomos an diesem Ort verehrt. Jahwe sollte die Könige in Jerusalem und den Staat Juda, also das Südreich, bewahren und begleiten, von ihm erhoffte man sich Wohlergehen in Gegenwart und Zukunft.
Im Nordreich gab es im 9. Jahrhundert Könige, die aus staats- und religionspolitischen Gründen neben der Verehrung Jahwes die Verehrung Baals guthießen und förderten. Gegen diese Politik formierte sich Widerstand vonseiten engagierter Jahweanhänger, die sich dafür einsetzten, dass nur noch Jahwe angebetet und verehrt werden sollte. Diese Bewegung wird in der Regel als „Jahwe-allein-Bewegung“ bezeichnet, weil die alleinige Jahweverehrung ihr Programm war. Zu ihr gehörte der Prophet Elia, dessen historische Gestalt allerdings nur noch schwer zu greifen ist, dann aber auch andere Propheten wie Hosea.
Im 7. und 6. Jahrhundert, nach dem Untergang des Nordreiches, wurde diese Bewegung im Südreich um Jerusalem herum immer stärker. Ihre Theologie drehte sich um das erste Gebot des Dekalogs: „Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“ (Dtn 5,7). Dieses Gebot ist keine monotheistische Aussage, vielmehr kommt in ihm zum Ausdruck, was der Begriff der Monolatrie besagt: Es gibt andere Götter, aber für Israel sollen sie keine Rolle spielen. Diese Bewegung, die im Südreich in den Zeiten der Abhängigkeit von der Großmacht Assyrien nur im Hintergrund als eine Art Oppositionsbewegung tätig sein konnte, bekam Aufwind, als in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts König Josia in Jerusalem an die Macht kam. Er unterstützte sie in jeder Hinsicht, ja er führte in ihrem Sinne eine Kultreform in Jerusalem und Juda durch. Ziel dieser Reform war es, den Kult anderer Gottheiten zu verdrängen zugunsten der alleinigen Verehrung Jahwes. Der entsprechende Bericht aus dem Alten Testament (2. Kön 23) darf nicht unkritisch gelesen werden, da er aus einer ganz bestimmten Perspektive geschrieben ist und deutlich Position zugunsten dieser Bewegung bezieht. Dennoch sind durch ihn Einblicke in die Religionspolitik des Königs Josia möglich: „Und der König gebot dem Hohenpriester Hilkija und dem zweitobersten Priester und den Hütern der Schwelle, dass sie aus dem Tempel des HERRN hinaustun sollten alle Geräte, die dem Baal und der Aschera und allem Heer des Himmels gemacht waren … Und er setzte die Götzenpriester ab, die die Könige von Juda eingesetzt hatten, um auf den Höhen zu opfern in den Städten Judas und um Jerusalem her; auch die dem Baal geopfert hatten, der Sonne und dem Mond und den Planeten und allem Heer am Himmel. Und er ließ das Bild der Aschera aus dem Hause des HERRN bringen …“
Ohne König Josia und seine Religionspolitik hätte die Alleinverehrung Jahwes kaum einen derartigen Stellenwert bekommen. Von hier aus ist der Weg zum Monotheismus nicht mehr weit, zu dem Glauben an einen einzigen universalen Gott, der den Glauben an die Existenz anderer Götter grundsätzlich ausschließt.
Monotheismus: Der Glaube an den einzigen universalen Gott
Im 6. Jahrhundert sollte schließlich der entscheidende Schritt zum Monotheismus vollzogen werden. In dieser Zeit erlitt Israel eine Katastrophe nie erlebten Ausmaßes: Im Jahr 587/6 eroberten die Neubabylonier Juda und Jerusalem und zerstörten dabei den Tempel. Da Jerusalem als uneinnehmbar galt und man der festen Überzeugung war, dass der Gott Israels die Stadt mit ihrem Tempel beschützen würde, geriet der Glaube in eine tiefe Krise. Im Alten Orient ging man selbstverständlich davon aus, dass die Staatsgötter für ihr Volk und für ihren König sowie für den Staatstempel sorgten und vor Unheil bewahrten. Entsprechendes glaubten auch die Menschen, die in Jerusalem und Umgebung wohnten. Der bisherige Glaube trug seit der Tempelzerstörung nicht mehr, das Gottesbild, mit dem sie gelebt hatten, war brüchig geworden. In dieser Situation war es wieder ein Prophet, der neue und entscheidende Impulse gab. Sein Name ist nicht überliefert, sehr wohl aber seine Worte. Sie stehen heute im zweiten Teil des Buches Jesaja, weshalb man ihn behelfsweise den zweiten Jesaja, also Deuterojesaja nennt. Bei ihm finden sich die ersten eindeutig monotheistischen Sätze: So heißt es in Jes 45,5: „Ich bin der HERR, und sonst keiner mehr, kein Gott ist außer mir.“ Hier wird die Existenz anderer Gottheiten grundsätzlich bestritten. Jahwe, der Gott Israels, ist der einzige Gott, der über alle Völker und Staaten herrscht. Neben ihm gibt es keine andere Gottheit und keine andere transzendente Größe. Diese pointierten monotheistischen Aussagen sind dann von anderen übernommen worden, so im ausgehenden 6. und beginnenden 5. Jahrhundert von den Nachfolgern derjenigen Personen, die sich im 7. Jahrhundert um König Josia geschart hatten. Von ihnen stammen Sätze wie „Du aber hast’s gesehen, auf dass du wissest, dass der HERR allein Gott ist und sonst keiner“ (Dtn 4,35) oder „So sollst du nun heute wissen und zu Herzen nehmen, dass der HERR Gott ist oben im Himmel und unten auf Erden und sonst keiner“ (Dtn 4,39). Damit setzte sich der Monotheismus durch und wurde schließlich für das frühe Judentum konstitutiv.
Deutlich ist also, dass Israel einen langen Weg gegangen ist. Israels Glaube hatte in den verschiedenen Jahrhunderten eine vielfältige Gestalt. Die Vorstellungen von Gott und seiner Macht waren nicht immer dieselben, sondern sie veränderten sich, von Generation zu Generation, von Jahrhundert zu Jahrhundert. Israel hat um seinen Glauben gerungen. Erst in fortgeschrittener Zeit sollte es polytheistische Vorstellungen hinter sich lassen und sich zum Monotheismus durchringen.