Eine Kirche für den Sieg über die Türken?

Die Wiener Karlskirche

Dr. Uwe Gerrens
von Dr. Uwe Gerrens

Auf Urlaub in Wien wunderte ich mich schon beim ersten Anblick: Eine barocke Moschee in Wien, noch dazu in diesen gewaltigen Ausmaßen? Schaut man näher hin, sieht man ein Kreuz auf der Kuppel. Es kann sich also gar nicht um eine Moschee handeln, sondern sieht nur so aus. Der Barockbaumeister Fischer von Erlach hat bewusst eine „türkische Moschee“ als Kirche ins Wiener Stadtbild gesetzt. Warum? Schaut man in eine am Eingang der Kirche ausliegende kleine Broschüre, findet man dazu sehr wenig. Die Kirche wurde nach der letzten großen Pestepidemie von 1713 durch Kaiser Karl VI. aufgrund eines Gelübdes errichtet, liest man dort und erblickt auch eine Gedenktafel in lateinischer Sprache. Die Kirche ist dem Namenspatron des Kaisers, Karl Borromäus, geweiht, der auch als Pestheiliger gilt. Allerdings wäre der Dank für eine glücklich überstandene Pestepidemie kein Grund gewesen, eine Kirche auf diese Weise zu bauen.

Foto: Rawa Esteve, Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY 3.0
Foto: Rawa Esteve, Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY 3.0

Die ‚Türken‘, also das osmanische Heer, das überwiegend aus Nicht-Türken und zum Teil auch aus Christen bestand, hatten 1683 Wien belagert und waren in die Flucht geschlagen worden. 1714 wurde ein Architektenwettbewerb für den Bau der Karlskirche ausgeschrieben. Im selben Jahr begann ein Krieg zwischen dem Osmanischen Reich und der (damals noch) Großmacht Venedig, dem die Habsburger 1716 auf der Seite Venedigs beitraten (die Koalition siegte 1718, die Habsburger eroberten viel, Venedig musste die Peleponnes abgegeben). 1715 wurde der Architekturwettbewerb zugunsten des später realisierten Entwurfs von Fischer von Erlach entschieden, der später noch abgeändert wurde. 1739 wurde die Kirche unter Kaiser Joseph II. eingeweiht. Unter diesen zeitgeschichtlichen Umständen war der ‚muslimische‘ Baustil weder zufällig gewählt noch außenpolitisch neutral. Die Kuppel zitiert die Hagia Sofia/Ayasofia in Konstantinopel/Istanbul. Die Ähnlichkeit der Kuppel ist offensichtlich und beabsichtigt. Minarette konnte man selbstverständlich nicht neben eine Wiener Kirche bauen, also nahm man Säulen, die an die Säule Kaiser Trajans in Rom erinnerten. Doch während das Relief auf der römischen Trajanssäule die Taten des Kaisers rühmt, rühmt das Relief auf den beiden Wiener Säulen die Taten des Heiligen Karl Borromäus, dem Namenspatron von Kaiser Karl VI. Dass es in Wien zwei Säulen sind, erinnert manche Architekturkritiker auch an die zwei Säulen des Jerusalemer Tempels oder an die des Herkules, die den Herrschaftsanspruch der Habsburger (bis Spanien) markierten. Im Gesamtbild wirken sie wie Istanbuler Minarette. Oben könnte ein Muezzin zum Gebet rufen, der bei Regen durch ein Dach geschützt wäre, allerdings passten Krone und Reichsapfel aus dem Wappen Kaiser Karls VI. nicht auf ein osmanisches Minarett. Die Engel rechts und links des an einen römischen Tempel erinnernden Eingangsportals erinnern an die Engel Berninis an der Engelsbrücke in Rom.

Mit dem Bau der Karlskirche meldeten Kaiser Karl VI. und sein Sohn Kaiser Joseph II. Großmachtansprüche für Wien an. Man erinnerte an Rom, die Hauptstadt des römischen Reiches, und an Konstantinopel/Istanbul, das „zweite Rom“. Längst hatte Moskau seine Ambitionen auf den Status eines „dritten Roms“ angemeldet. Dem wollte Wien nicht nachstehen. Das ‚zweite Rom‘, Istanbul, hatte man bezwungen. Als katholischer Kaiser musste man den Bischof von Rom in seiner Rolle als Papst respektieren, doch nicht zu sehr, denn als weltlicher Herrscher des Kirchenstaates stand er auch in Konkurrenz zu den Habsburgern, die längst wesentliche Teile Italien kontrollierten. Der Stilmix der Karlskirche zeigt: Mit Religionskriegen im engeren Sinne hatte das nur wenig zu tun. Moskau, Rom und Istanbul konkurrierten um die Macht; die Religion bot im Fall der Türkenkriege vor allem ideologisches Unterfutter. Wahrscheinlich sollen die Ecktürme tatsächlich, wie von Teilen der Literatur behauptet, an chinesische Pagoden erinnern.  Dafür sprechen neben der (barockisierten) Stufenform auch die Vasen an den Dachecken (auch wenn Originalpagoden in China ohne Porzellan auf dem Dach auskamen).

Foto: Ruhmeshalle des Militärhistorischen Museums Wien, Foto: Wikimedia CC

Wenn sie wissen wollen, wie die Türkenkriege heute in Österreich museal präsentiert werden (und sie dunkle Ölgemälde, auf denen tapfere Soldaten einander die Köpfe abschlagen, auch noch in unzureichender Beleuchtung ertragen können) lohnt ein Spaziergang von der Karlskirche zum heeresgeschichtlichen Museum in der Nähe des Hauptbahnhofs.

Foto: „Türkisches Staatszelt“, Foto: Wikimedia CC

Dort ist ein in der Schlacht von Peterwardein/ Novi Sad (1716) erobertes Zeltfragment zu besichtigen, dem man am Ende des letzten Saales des rechten Flügels in Abweichung von der Chronologie der Sammlung einen Ehrenplatz in einer Art Apsis einräumte. Der Stoff ist im Original erhalten und überaus fein gewebt, also gewiss nicht für normale Soldaten, sondern für eine herrschaftliche Person, die kein Sultan gewesen muss. Die Vase und der Halbmond an der Spitze gehören nicht zum Zelt, sondern sind Teil der Museumswand, also der nachträglichen Inszenierung. Ob das sogenannte Staatszelt auch Outdoor-Zwecke erfüllen konnte? Als stolzer Besitzer eines Hilleberg-Zeltes möchte ich bei Regen oder gar Schneetreiben nicht tauschen müssen. Nachdem Sie sich schon so weit ins Militaristische vorgewagt haben, empfehle ich noch einen Besuch des letzten Saales im linken Flügel, der der österreichischen Marinegeschichte gewidmet ist. Als Hamburger musste ich nach Wien fahren, um das erste Mal in meinem Leben zu erfahren, dass die österreichische Marine sich 1864 bei Helgoland eine Seeschlacht mit der dänischen lieferte. Um die brennenden österreichischen Schiffe zu sehen, muss man allerdings nach Kopenhagen fahren.

Foto: Wikimedia CCC

2 Kommentare

  1. Diese Wendung „Ölgemälde, auf denen tapfere Soldaten einander die Köpfe abschlagen,..“ löste bei mir den Gedankensprung von Novi Sad nach der Festung Belgrad aus bzw zu den Taten des ruhmreichen, „edlen“ Ritters in jenen Vernichtungskriegen mit Tendenz zum Blutrausch… maW: wäre das mit der musealen Repräsentation (und den Gloriolen) nicht eine weitere Himmelsleiter-Stufe wert? .. würde mich freuen…. Erstmal aber nochmals Danke!

  2. Der Beitrag soll dringend überarbeitet werden, es gibt zu viele Fehler darin- ich möchte nur darauf hinweisen, dass Karl VI der Großvater und nicht Vater von Josef II war und dieser Joseph 1739 noch nicht auf der Welt war; die Einweihung 1739, wie hier zu lesen ist, hat er sicher nicht vornehmen können

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert