Die Stimme des Regenwaldes – Das Leben des Bruno Manser
Zu erzählen ist die Geschichte von Bruno Manser, der 1984 nach Malaysia kam und Teil einer Penan-Sippe wurde. Sechs Jahre lang lebte er auf Borneo mit den Waldnomaden. Zu erzählen ist die Geschichte eines Films auf seinen Spuren und zu seinem Gedenken. Und zu erzählen ist die Geschichte der Tagebücher des Bruno Manser.
Geboren wird Bruno Manser 1954 in Basel. Sein Leben verläuft zunächst unspektakulär. 1973 die Matura/das Abitur, danach verschiedene Ausbildungsversuche in unterschiedlichen Berufen. Von 1973-1984 ist er Hirte. Dazwischen absolviert er ein Praktikum am naturhistorischen Museum in Basel. Dann der Entschluss: endlich möchte er sich seinen Kindheitstraum erfüllen. Er besucht den Dschungel von Malaysia, genauer von Borneo. Aus dem Besuch wird ein Aufenthalt von 1984-1990. Er nutzt die Zeit für Aufzeichnungen über die Natur und über die Menschen, denen er sich anschließt: die Penan sind ein uraltes Nomadenvolk. Aus dem Besucher ist ein Stammbewohner geworden, aus dem Beobachter ein Ethnologe und Umweltaktivist.
Eigentlich wollte Manser nur Mitglied einer Penansippe werden und ihr Leben, ihr Naturverständnis und ihren Umgang untereinander erkunden. Als aber verschiedene Holz- Companies in den Regenwald eindringen, wird er zum Naturaktivisten und Vorkämpfer des Widerstandes gegen die Abholzung. Das kam bei der Holzindustrie und der unterstützenden malaysischen Regierung nicht gut an.
Im April 1990 muss er in die Schweiz fliehen, nachdem er von der malaysischen Regierung zur „unerwünschten Person“ erklärt und ein Kopfgeld von 50.000 $ auf Bruno Manser ausgesetzt wurde.
Fortan organisiert er in Europa den Widerstand und sucht Unterstützung bei anderen Umweltaktivisten. Manser widmet sich international der Vortrags- und Aufklärungsarbeit über das Schicksal der Urvölker des Regenwaldes. Er berichtet von den Machenschaften der Holzwirtschaft und der Menschenrechtslage im malaysischen Sarawak.
Unter anderem gründet er 1992 in Basel den Bruno-Manser-Fonds, der bis heute weltweit als Regenwald-Informationszentrum und Lobby der indigenen Bevölkerung aktiv ist.
Neben der Veröffentlichung seines Buches „Stimmen aus dem Regenwald“ macht Manser durch zahlreiche spektakuläre Aktionen, unter anderem einem Fallschirm Absprung über Genf und einem Hungerstreik vor dem Bundeshaus in Bern, auf das Schicksal des Regenwaldes und seiner Bewohner aufmerksam.
Schließlich kehrt er nach Malaysia zurück und wird erneut Zielobjekt politischer Verfolgungen. Am 25. Mai 2000 verschwindet er spurlos. Am 10. März 2005 wird er vom Basler Zivilgericht für verschollen erklärt.
Nachdem es schon Biografien und einen 90minütigen Dokumentarfilm über dieses spektakuläre Leben gab, zeichnet nun der Spielfilm „Bruno Manser – Die Stimme des Regenwaldes“ dessen Weg nach.[1] Er tut dies mit prächtigen Bildern einer atemberaubenden Landschaft. Eine Erzählerstimme hebt an, von Balai Tenangan zu erzählen, dem Gott der dieses Land schuf: Malaysia sei die Mutter aller Länder, und aus dem, was noch übrig war, sei danach die restliche Welt geschaffen worden. Den Bericht zu Manser selbst eröffnet Along Sega, Häuptling der Penan, mit dem Satz: „Als Bruno bei uns ankam, war er ein Kind im Körper eines Mannes, hilflos, unwissend und unschuldig“.
Einer der bewegendsten Szenen des Films ist die Begegnung zweier Nomaden-Sippen, deren Wege sich zum ersten Mal kreuzen, weil das Eindringen der Holzfäller dafür sorgt, dass es nicht genug Wild in den Tälern gibt. Manser überzeugt die Penan von der Idee des gewaltfreien Widerstandes, konkret von einer friedlichen Blockade der Transportwege.
Die Long-Adang-Blockade ist eine von 24 Blockaden an denen sich 46 Stämme beteiligen.
Nachdem die Blockaden per Gesetz als Terrorakt definiert wurden, erfolgt die Auflösung der Blockaden mit Bulldozern. Beim anschließenden Gespräch unter den Penan fällt ein denkwürdiger Satz:: „Wie können Sie einfach das Gesetz ändern? Es ist wertlos, wenn man es einfach ändern kann.“
Auch wenn der Kampf gegen wirtschaftliche Interessen aussichtslos erscheint, auch wenn über 90 % des Urwalds auf malaysisch Borneo bereits der Profitgier zum Opfer fielen, sinn- und folgenlos ist das Engagement nicht: 2018 verweigerten die malaysischen Behörden erstmals eine Holzfirma den Zugang zum Gebiet der Penan.
Zu erzählen bleibt die Geschichte, was die Kenntnis all dieser Geschichten in uns auslöst. Hier gilt es eigene Entdeckungen zu machen. Ausgangspunkt und Ziel dieser Reise ist eine Einsicht Bruno Mansers: „Wer begriffen hat und nicht handelt, hat nicht begriffen.“
Neben dem Spielfilm bildet ein Dokumentarfilm eine herausragende Ausgangsposition für die Entdeckung dieses Menschen und des Impulses, den er für jede/n setzen kann. Unter anderem sind hier Ausschnitte aus Fernsehauftritten zu sehen. Und zu hören gibt es Auszüge aus Mansers Tonbandaufzeichnungen, die er statt Briefen an seine Eltern schickt.[2]
Der schönste und direkteste Weg in die Gedankenwelt des Bruno Manser findet sich in den Tagebüchern, die von 1984-1990 im Dschungel von Sarawak entstanden sind. 2004 und 2019 sind die „Tagebücher aus dem Regenwald“, herausgegeben von Bruno-Manser-Fonds, beim Christoph Merian Verlag in Basel erschienen.[3]
Hier finden sich Reproduktionen der zahllosen Zeichnungen, in denen Manser alles ihm Unbekannte, mit einer gewissen Vorliebe Menschen und Kletterpflanzen festgehalten hat. Die Kletterpflanzen schienen ihm wohl als Inbegriff der Zusammengehörigkeit alles Lebendigen. Die Zeichnungen haben den Charme von Seh- und Gehversuchen in einer neuen Welt.
Nicht weniger beeindruckend sind die Texte, die sowohl in der Originalhandschrift als auch in einer Umschrift dargeboten werden. Hier finden sich die Gedanken des Autors zur Sozialität der Penan. Ihm fällt z.B. auf, dass es in ihrer Sprache kein Wort für „danke“ gibt. Seine Erklärung: Sie brauchen kein Wort dafür, weil Geben und Nehmen unter ihnen so selbstverständlich ist.
Bedrückend und nach über 30 Jahren immer noch mehr als hochaktuell sind alle Beobachtungen zum Umstand, dass die Abholzung der letzten Regenwälder nicht nur den Lebensraum der Penan zerstört, sondern auch massgeblich zum Klimawandel beitragen.
Sowohl die beiden genannten Filme als auch die Biografien als auch die Tagebücher können unser Denken weiter bringen. Aber nicht nur unser Denken. „Wer begriffen hat und nicht handelt, hat nicht begriffen.“
Weitere Infos: Homepage des Bruno Manser Fonds: www.stimmedesregenwaldes.de
Alle Fotos: © Beat Keusch Visuelle Kommunikation, Basel
[1] Bruno Manser – Die Stimme des Regenwaldes; Schweiz/Öst. 2019, 142 Min., Filmhaus Sb; Regie: Niklaus Hilber. Gedreht wurde der Film 2019. Warum er an vielen Orten erst jetzt zu sehen ist ,muss nicht erläutert werden.
[2] Bruno Manser Laki Penan
Dokumentarfilm auf DVD – Von Christoph Kühn
Sprachen: D, F, E / Untertitel: D, F, E / Länge: 94 Min. / Januar 2008
[3] Bruno Manser Fonds (Hg.): Bruno Manser – Tagebücher aus dem Regenwald 1984-1990
712 Seiten, über 600 farbige Abbildungen, broschiert, 4 Bände im Schuber mit eingelegter Landkarte, 6 x 31,5 x 23,5 cm (B x H x T), © 2019 Christoph Merian Verlag , EUR 89,–
4., überarbeitete Neuauflage