Wie theologische Bildung satt macht

von Dr. Martin Fricke

Am Samstag hat die Laien-Uni Theologie mit einem feierlichen Gottesdienst, der Zertifikatsverleihung für den mittlerweile 10. Absolvent*innen-Kurs und einem rauschenden Fest ihr 30jähriges Jubiläum gefeiert. Eine der Tischreden lesen Sie hier:

Wie theologische Bildung satt macht

Um es kurz zu machen: Theologische Bildung ist die Vollwertkost unter den Darreichungsformen des Glaubens. Ich werde versuchen, das – gut trinitarisch – in drei Schritten zu zeigen: 1. Wer glaubenshungrig ist, braucht Theologie. 2. Theologie hält gesund. 3. Wer theologisch gebildet ist, schlingt nicht.  Oder: 1. Slow Food. 2. Raw Food. 3. Balanced Diet.

1. Slow Food – Hand auf´s Herz: wer von uns lümmelt sich nicht zuweilen gerne auf´s Sofa, guckt die neuste angesagte Serie – und schiebt dabei ´ne Tüte Chips in sich ´rein? Ungesund, gewiss, aber herrlich! Und manchmal muss es eben auch ´mal Fast Food sein. Das Loch im Bauch will gefüllt werden, und wir haben ja so wenig Zeit… Das Problem ist nur: Burger, Pommes, Döner und Chips sättigen ganz schön – aber eben nur fast feeding und nicht auf Dauer. Wer seinen Hunger wirklich stillen will, braucht Gehaltvolleres. Und wer glaubenshungrig ist, braucht Theologie. Damit meine ich nicht die „Theologie light“, die sich in den Regalen der Mayerschen Religions- und Esoterik-Abteilung findet. Die mag erbaulich sein, ist aber nicht erbauend. Wie die Tüte Chips halt, die den Abend erst so richtig gemütlich macht: ´mal ganz schön, aber kein Ernährungsprogramm. (Und nicht vergessen: spätestens am nächsten Morgen muss das Sofa entkrümelt werden!) – Die Theologie, die ich meine, schmeckt nicht immer. Sie ist manchmal sperrig, oft anstrengend, und sie sich anzueignen, kann langwierig sein. (Drei Jahre Laien-Uni…) Gegenüber den Ratgebern für ein lebendiges Glaubensleben und ein zeitgemäßes Kirchenbeben kommt sie wahnsinnig unerotisch daher. Irgendwie „bio“ halt. Aber sie bewahrt die Würde, die unserem Glauben an- und zusteht. „Verliert Eure Würde nicht“, mahnt Paulus gegen das große Saufen und Fressen in Korinth (1. Korinther 11,27).

2. Raw Food (Rohkost, für nicht Eingeweihte) – „Irgendwie ist alles, was schmeckt, ungesund“, pflegten meine Jungs früher zu sagen. Bis sie merkten,  dass, was gesund ist, durchaus auch schmecken kann; sogar Rohkost. Aber das brauchte seine Zeit. Theologie ist wie Rohkost. Roh und köstlich. Gewiss, auf den ersten Blick kommt sie wenig schmackhaft daher. Und mit dem ersten Biss hat man viel zu kauen. Rohe Kost eben. Es gibt ja eine Art religiöser Druckluftbetankung (Verzeihen Sie an dieser Stelle das den kulinarischen Rahmen sprengende Bild!): ein Stopfen von Glaubens(kurs)themen, die direkt in den Magen gehen. Dort liegen sie dann, wenn einem der Ernst des Lebens auf denselben schlägt, als schwer verdauliche Brocken. Theologische Bildung hingegen heißt: Da ist viel durchzukauen. Theologie ist Auseinandersetzung mit den Dingen der irdischen, reflektierende Erschließung der Dinge der himmlischen Welt. Sie macht die Tatsache nicht leichter verdaulich, dass ein so garstiger Graben zwischen dem Reich Gottes und der Erde, auf der wir leben, liegt; aber sie vermindert das Risiko für spirituelle Stoffwechselstörungen. Kurz: Sie ist gesund, belebt, hält lebendig und wach. Den Kopf und das Herz (und eben auch den Verdauungstrakt). Manchmal, wenn Schmackhafteres auf dem Teller liegt, kostet sie Überwindung. Vielleicht kommt sie gerade dann besonders Jesu Ruf in die Nachfolge gleich. Indem sie provoziert, uns aus unseren geschmacksverstärkten Essgewohnheiten herausruft. „Glücklich, wer sein Brot im Reich Gottes isst!“ (Lukas 14,15)

3. Balanced Diet – Manchmal wache ich nachts auf und habe einen Heißhunger auf… Sie kennen das! Dann muss man mir nicht mit low carb-Ernährung oder clean eating kommen. Und manchmal wache ich mitten im grauen Einerlei meines Alltags und großen Elend unserer Tage auf und habe einen Heißhunger auf das Reich Gottes. Dann muss man mir nicht mit theologischer Bildung kommen. Oder doch? – Gerade dann! Denn wer theologisch gebildet ist, schlingt nicht. Trotz seines Heißhungers. Er oder sie weiß innezuhalten. Sie oder er kann das jetzt Dringliche von dem bleibend Wichtigen (Dietrich Ritschl), menschliche Möglichkeiten und Notwendigkeiten von dem, was allein Gnade des Ewigen ist, unterscheiden. Zur Theologie gehört untrennbar die Kontemplation. Und theologische Bildung ist immer auch ein „Sabbat der Ernährung“ (Giorgio Agamben). Nur wenn wir zuweilen staunend innehalten, können wir reflektiert glauben, brennend lieben und engagiert hoffen. – Plutarch erzählt von einem Ritual, mit dem man im antiken Griechenland den Heißhunger austrieb (bουλίμου ἐξέλασις). Christenmenschen brauchen das nicht. Aber sie brauchen eine Kirche, in der theologische Bildung geschieht. Die Kirche als ein Raum für das Slow Food der Aneignung des Evangeliums, für das Raw Food der Auseinandersetzung mit ihm und für das Balanced Diet der kontemplativen Begegnung mit dem, der gesagt hat: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.“ (Johannes 6,35) Eine solche Kirche ist ein Festsaal!

Was ich damit sagen will: Theologische Bildung zeigt sich – auch – daran, dass man zu feiern weiß: menschlich und im Vertrauen auf den, der seinen Geschöpfen Speise gibt zur rechten Zeit (Psalm 104,27). Und mit Genuss. Es muss dann ja nicht nur Vollwertkost sein. In diesem Sinne: Auf zur nächsten Runde fröhlichen Schmausens!

Dr. Martin Fricke

Ein Kommentar

  1. Elisabeth Schwab

    Danke für diese leckere Tischrede, lieber Martin!
    30 Jahre Laien-Uni ist ein schöner Grund zu feiern, denn als Kirche und Gemeinde brauchen wir Menschen, die sich auf dieses Slow food einlassen, Raw Food nicht vermeiden und eine Balanced Diet suchen. Wir brauchen in unserer Kirche und Gemeinde, dass das Religiöse und das Intellektuelle miteinander zu tun haben. Wir brauchen das Nachdenken und Sprechen über das, was Wesentlich ist.
    Wie gut, dass es die Laien-Uni gibt! Ich wünsche der Laien-Uni, Claudia Eliass und dem eeb nordrhein von ganzem Herzen noch viele gemeinsame und gute Jahre. Wir in der EKiR können uns glücklich schätzen, dass wir Euch haben!

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